Aktuelle Kamera vs. Tagesschau

DDR gegen BRD. Kommunismus gegen Kapitalismus. Ost gegen West. Deutsch versus Deutsch. Was waren die Unterschiede, was die Gemeinsamkeiten der beiden großen Nachrichtensendungen in Ost- und West-Deutschland?

Nach dem Ende des Dritten Reichs und mit der Gründung zweier Staaten auf deutschem Boden entstand der Anspruch, auch die Massenmedien zu reformieren. Presse und Rundfunk waren im Dritten Reich für die Verbreitung und Rechtfertigung rassistischer und kriegerischer Ziele missbraucht worden. Das sollte nie wieder geschehen.

Medien in der DDR

In der DDR verstand sich die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) vor allen anderen politischen Organisationen als die führende Kraft im Kampf für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft und für den Frieden. Diesem Ziel sollten Presse und Rundfunk dienen – kontrolliert von Partei und Staat. Die SED erließ Richtlinien, wie in den Medien, z.B. im Deutschen Fernsehfunk (DFF) oder in der Parteizeitung „Das Neue Deutschland“ zu berichten war. Es handelte sich also um eine von der SED gelenkte Presse.

Medien in der BRD

In der BRD setzte sich der Anspruch durch, die Medien und den Journalismus unabhängig von politischer und wirtschaftlicher Einflussnahme zu machen. Das gesamte Medien- und Pressewesen sollte in den Aufbau eines parlamentarischen und demokratischen Deutschlands eingebunden sein, wie ihn die westlichen Alliierten USA, Großbritannien und Frankreich vertraten.  Deswegen etablierten die Besatzungsmächte ein öffentlich-rechtliches Rundfunkmodell nach dem Vorbild der britischen BBC.

Vergleich der  Nachrichtenformate

In beiden deutschen Staaten wurde Ende des Jahres 1952 eine neue Nachrichtensendung ausgestrahlt: in der DDR die Aktuelle Kamera, in der BRD die Tagesschau, die auch heute noch täglich zu sehen ist. Doch was haben beide Sendungen gemeinsam, und – vielleicht noch wichtiger – was unterschied sie in ihrer Berichterstattung?

Stöbern im Wörterbuch der sozialistischen Journalistik

Das „Wörterbuch der sozialistischen Journalistik“ erklärt Propaganda und Agitation zur Aufgabe der Medien, die die Bevölkerung sozialistisch „erziehen“ sollen, während der NDR-Staatsvertrag die Tagesschau zu einer möglichst objektiven Berichterstattung verpflichtet und der öffentlich-rechtliche Rundfunk bewusst unabhängig vom Staat sein soll. Die Anforderungen an den Journalismus sind in beiden Staaten also grundlegend verschieden.

Einige ausgewählte Einträge aus dem „Wörterbuch der sozialistischen Journalistik“ findest du hier. Versuch mal, zu erkennen, an welchen Stellen sich die Ansprüche an die Funktion des Journalismus von unserem heutigen Mediensystem unterscheiden.

Hinweis: Die einzelnen Einträge wurden gekürzt. Rechtschreibfehler wurden übernommen.

Karikatur

(frühitalienisch caricare- beladen, belasten, übertreiben) Zeichnerische Darstellung, die durch gewollte, zielgerichtete Übertreibung bestimmter Seiten einer Erscheinung und Weglassen alles Nebensächlichen versucht, das Wesentliche, Charakteristische der Erscheinung deutlich, möglichst pointiert hervortreten zu lassen.

Die sozialistische Presse nutzt die (oft tagesaktuelle) politisch-satirische Karikatur zur Entlarvung des Klassengegners, und bei der Erziehung zu sozialistischen Verhaltensweisen. Daneben hat die „Witzzeichnung“, die im wesentlichen nur eine komische Wirkung anstrebt als Mittel niveauvoller Unterhaltung Bedeutung.

Manipulation

Staatsmonopolistische Herrschaftstechnik zur Steuerung des Verhaltens der Menschen entgegen ihren objektiven Interessen, ohne daß sich die Massen dessen bewußt werden. M. macht die Menschen zu „außengelenkten Objekten“ (siehe Heyden (Anmerkung der Redaktion: Medienphilosoph)), deren Tätigkeit dem imperialistischen System dient.

M. unterstützt daher die Mobilisierung der Menschen in den imperialistischen Ländern für die Interessen der herrschenden Klasse. Bei dieser Bewußtseinsmanipulation haben die modernen bürgerlichen Massenmedien Presse, Rundfunk und Fernsehen eine Vorzugsstellung. Die Wahrnehmung des ihnen zugedachten Beitrags zur einheitlichen geistigen Ausrichtung des Volkes setzt ihre eigene Gleichschaltung und Gleichrichtung voraus.

Der Begriff M. hat eindeutig negativen Charakter. Der Gegensatz der M. ist die demokratische und sozialistische Bewußtseinsbildung in den sozialistischen Staaten. Sozialistisches Bewußtsein kann man nicht manipulieren.

Nachricht

Die N. vermittelt klassenmäßig bestimmte neue Erkenntnisse über konkrete, relativ einzelne, aktuelle Tatsachen (Ereignisse) in einer unmittelbaren und sprachökonomischen Form und auf schnellste Weise. Die Grundfunktion der N. als Genre in den sozialistischen Massenmedien besteht in einer auf die Informationspolitik der Partei der Arbeiterklasse bezogenen „Agitation durch Tatsachen“. Im einzelnen gehen hierin folgende Gesichtspunkte ein:
1. Tatsachencharakter der Mitteilung. Aussagen ideologischer Natur.
2. Parteilichkeit der Information.
3. Unmittelbarkeit der Information.
4. lnformationsschnelligkeit.
5. Neuwert der Information.

Die Presse der Arbeiterbewegung hat die N. stets als wichtiges Mittel parteilicher Agitationsarbeit, der Aufklärung über Tagesfragen angesehen. Presse, Rundfunk und Fernsehen in der sozialistischen Gesellschaft verwirklichen ihre Funktionen vor allem auf der Grundlage einer aktuellen, parteilichen und informationsintensiven Nachrichtengebung.

Die N. ist heute infolge der Schnelligkeit ihrer Übermittlung und ihrer Informationsintensität eines der wichtigsten Mittel für die Bildung und Festigung des sozialistischen Bewußtseins und eine wirkungsvolle Waffe im ideologischen Klassenkampf.

Parteilichkeit

Wesenszug und Grundprinzip des sozialistischen Journalismus. Die P. wurzelt im Wesen des sozialistischen Journalismus als Teil des Überbaus der sozialistischen Gesellschaft, als wichtigstem Instrument der Partei der Arbeiterklasse zur Entwicklung des sozialistischen Bewußtseins und des bewußten politischen Verhaltens der Werktätigen.

Heute kann nur objektiv sein und zu wahren Informationen gelangen, wer seiner Erkenntnistätigkeit die sozialistische P. zugrunde legt. Das ist eine logische Folge der Übereinstimmung der Interessen der Arbeiterklasse mit den objektiven Interessen der gesetzmäßigen Entwicklung der Gesellschaft zum Sozialismus.

Das schließt ein, daß der sozialistische Journalismus sich klar und eindeutig auf einen Standpunkt stellen muß, der den Rezipienten die Lösung der Widersprüche ermöglicht. Für die vom bürgerlichen Journalismus für sich beanspruchte „Unparteilichkeit“ und „Objektivität“ – die in Wahrheit Objektivismus ist – gilt Lenins Feststellung: „Die Parteilosigkeit ist in der bürgerlichen Gesellschaft nur ein heuchlerischer, verhüllter, passiver Ausdruck der Zugehörigkeit zur Partei der Satten, zur Partei der Herrschenden, zur Partei der Ausbeuter.“

Journalistikwissenschaft

Marxistisch-leninistische Gesellschaftswissenschaft, die den Journalismus als Erscheinung des gesellschaftlichen Lebens, des ideologischen Klassenkampfes und als geistig-praktische Tätigkeit untersucht. Ihre besondere Aufmerksamkeit gilt dem sozialistischen Journalismus als einem Führungs- und Kampfinstrument der Arbeiterklasse beim Aufbau des Sozialismus und im ideologischen Kampf gegen den Kapitalismus. Sie liefert theoretische Grundlagen für die Beherrschung und Weiterentwicklung dieses Instruments.

Die J. untersucht die Funktion des Journalismus in der sozialistischen Gesellschaft. Sie untersucht des weiteren Theorie und Praxis der imperialistischen Manipulation und der psychologischen Kriegführung mit journalistischen Mitteln.

Wie wichtig ist dir eine freie Presse

Reflektiere deinen eigenen Medienkonsum. Warum ist dir eine freie Presse wichtig und was unterscheidet sie von der Berichterstattung in der DDR? Welches Journalismusideal wird in Deutschland vertreten?